Nähhand
Josef Madersperger beschäftigte sich mit der Frage, wie die mühsame und langsame Arbeit des händischen Nähens mit Nadel und Zwirn durch eine Maschine erleichtert werden könnte. Damals war das Nähen ein mühevolles Handwerk, das Stich für Stich mit der Hand erledigt wurde. Für einen Anzug benötigte ein Schneider etwa 23 Stunden. In einer Minute konnte man etwa 30-50 Stiche machen.
Josef Madersperger konzipierte um das Jahr 1808 herum seine erste „Nähhand“, die die Bewegung einer nähenden menschlichen Hand nachahmen sollte. Die Nähhand spannte den Faden gleichmäßig und eine Nadel mit zwei Spitzen und einem Öhr in der Mitte stach bei jedem Stich senkrecht durch den Stoff. Die Nadel wurde mit zwei Greifern abwechselnd von oben und von unten durch den Stoff gezogen, wobei sie den etwa 45 Zentimeter langen Faden nachzog. Wenn dieser verbraucht war, musste ein neuer Faden eingefädelt werden. Die Nähhand konnte nur gerade Linien nähen und man musste händisch mit einer weiteren Nadel einen Faden durch die Schlingen ziehen. Dieser Nähvorgang ist noch nicht mit dem einer heutigen Nähmaschine zu vergleichen, er war nur teilweise maschinell und vermutlich ziemlich langsam.
Etwa 1810 verfeinerte Madersperger seinen Ansatz und er hatte die entscheidende Idee (übrigens zeitgleich mit anderen Erfindern), das Nadelöhr von der Mitte an die Spitze der Nadel zu verlegen. Die Nadel stach nur mehr von einer Seite (von oben) in den Stoff, sodass sich auf der Unterseite Fadenschlingen bilden, durch die ein zweiter Faden geschoben wurde (Kettelstich). Das ist auch bis heute das Grundprinzip der modernen Nähmaschine. Die Maschine bestand aus Holz und konnte etwa 100 Stiche pro Minute ausführen – das Nähen damit war also etwa doppelt so schnell als das händische Nähen.
1814 beantragte Josef Madersperger dafür ein Patent. 1815 erhielt er das kaiserliche Privileg (Patent) für seine Erfindung. Die amtliche Wiener Zeitung berichtete 1817 darüber.
1835 zeigte er bei der „Ersten Gewerbeproduzenten-Ausstellung Österreichs“ der Öffentlichkeit Doppelstoffe, die er mit seiner Nähmaschine in der eigenen Werkstatt herstellte.
Bis 1839 entwickelte der Tiroler Erfinder fünf Versionen seiner „Nähhand“, die letzte und fünfte Version schenkte Josef Madersperger (damals bereits 70 Jahre alt) dem Polytechnischen Institut in Wien.
Man nimmt an, dass ähnliche Nähkonstruktionen von Amerika aus ihren Siegeszug um die Welt angetreten sind – ganz unabhängig von Maderspergers Nähhand. Fest steht jedoch, dass ohne die Erfindung der Nähmaschine die moderne Textilindustrie undenkbar gewesen wäre.
Die kommerzielle Verwertung der Nähmaschine gelang erst dem Amerikaner Elias Howe, der 1846 ein Patent auf eine derartige Maschine bekam und in Zusammenarbeit mit Isaac Merrit Singer mit der industriellen Nähmaschinenproduktion begann.
Die Nähmaschinenindustrie hat sich rasch weltweit ausgebreitet – in Deutschland gehörten in den 1860er Jahren z. B. auch Firmen wie Pfaff, Kayser oder Opel dazu. Das alles hat jedoch Josef Madersperger nicht mehr erlebt.
Bildquelle: Reinraum, Sewing Hand, CC BY-SA 3.0