Taiwan
Ein Musterbeispiel, wie das Coronavirus in Schach gehalten werden kann: Taiwan. Ende September zählt das Land etwas mehr als 500 Infektionsfälle - seit Jahresbeginn. Und das, obwohl zwischen dem chinesischen Festland und der Insel Millionen Menschen pendeln. Experten rechneten damit, dass Taiwan schwer getroffen wird, sich das Virus unter den günstigen Bedingungen weiter ausbreiten wird. Fehlanzeige.
Denn die Regierung war vorbereitet: Nach dem SARS-Ausbruch in 2003 hat Taiwan ein zentrales Zentrum für Epidemien eingerichtet, hier werden Regierungsmaßnahmen koordiniert. Auf einer Liste von 124 möglichen Maßnahmen stehen Grenzkontrollen, Kommunikationspläne, Kampagnen gegen Misinformationen, Ressourcenmanagement für Krankenhäuser. Seit Jahren lagert die Regierung Masken und anderes medizinisches Material ein, kurz nach Ausbruch des Virus wurde die Produktion von Masken im Land erhöht. Dadurch konnte die taiwanische Regierung schnell reagieren.
Schon bevor die Mensch-zu-Mensch-Übertragung des Viruses bestätigt wurde, mussten sich Einreisende aus Wuhan einer Gesundheitsüberprüfung unterziehen. Mittlerweile wird bei jeder Einreise die Körpertemperatur gemessen. Außerdem schränkte Taiwan den Flugverkehr mit dem chinesischen Festland ein – es gilt ein Einreiseverbot für chinesische Staatsbürger sowie für Ausländer, die sich in China, Macau oder Hongkong aufgehalten haben. Bei der Einreise muss eine Gesundheitserklärung ausgefüllt werden, in der die Reisehistorie und der Gesundheitszustand dokumentiert werden. Auf Basis der Informationen werden Gesundheitspässe ausgestellt, mit denen Reisende schneller eine Einreisegenehmigung bekommen – oder direkt in häusliche Isolation geschickt werden.
Außerdem hat Taiwan seine nationale Gesundheitsdatenbank mit der Einwanderungs- und Zolldatenbank verknüpft für Big Data Analysen. Während eines klinischen Besuchs werden in Echtzeit Infektionswarnungen basierend auf Reisebewegungen und Symptomen ausgegeben. Alle Krankenhäuser, Arztpraxen und Apotheken können auf die Reisebewegungen der Patienten zugreifen, wodurch Verbindungen zwischen Infizierten hergestellt werden können. Wer in häuslicher Isolation ist, wird über sein Smartphone überwacht um sicherzustellen, dass die Quarantäne eingehalten wird. Getestet wird übrigens nur, wer Symptome hat. Ansonsten setzt die Regierung bei Kontaktpersonen auf 14 Tage Quarantäne.
Wer in häuslicher Isolation ist, wird über sein Smartphone überwacht um sicherzustellen, dass die Quarantäne eingehalten wird. Damit niemand die Wohnung verlässt und das Telefon zuhause lässt, gibt es unregelmäßige Kontrollanrufe. Die Taiwaner, die ihren demokratischen Status und Freiheitsrechte sonst recht hoch halten, akzeptieren diese zeitlich begrenzte Überwachungmaßnahmen. Denn dadurch kann der Rest der Bevölkerung einem fast normalen Alltag nachgehen. Außerdem unterstützt Taiwans Regierung Menschen, die sich in häuslicher Quarantäne befinden. Lokale Autoritäten bringen Lebensmittel oder Bücher vorbei. Da Quarantänemaßnahmen in den meisten Fällen von den Behörden auferlegt sind, hat der Staat ein Wohlfahrtsprogramm auferlegt: 30 US-Dollar für jeden Tag in Isolation.
Für ein subjektives Sicherheitsgefühl spielen Mundschutzmasken in Taiwan eine große Rolle. Für Taiwanesen ist das Tragen einer Maske ein Zeichen, verantwortlich zu handeln. Wegen der hohen Nachfrage wurden Masken zu Beginn rationiert und nur noch über Apotheken und ein Online-Verteilsystem ausgegeben – damit niemand mehr Masken kauft, als er wirklich braucht.
In einer 24-minütigen Reportage widmet sich Arte Taiwan als Vorbild in der Corona-Pandemie.
Zuschauer bei taiwanischen Baseball-Spielen: So geht es trotz Corona.
Stand: 29. September 2020