Eine Herzinsuffizienz liegt vor, wenn die Funktion des Herzens so eingeschränkt ist, dass die vom Herzen ins Gefäßsystem gepumpte Menge Blut nicht mehr ausreicht, um den Körper mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen.

Im Körper kommt es zu einem Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und Sauerstoffangebot. Man unterscheidet dabei:

  • Vorwärtsversagen des Herzens (engl. forward failure): Durch ein zu geringes Herzzeitvolumen (HZV = Blutvolumen, das pro Minute vom linken Herzen über die Aorta in den Körper gepumpt wird) kann der Sauerstoffbedarf im Körper nicht gedeckt werden.
  • Rückwärtsversagen des Herzens (engl. backward failure): Das zum Herzen transportierte Blut wird nicht adäquat weitertransportiert und staut sich vor der jeweiligen Herzhälfte. Das nicht weitertransportierte Blut fehlt bei der Sauerstoffversorgung des Körpers.

Je nachdem, welcher Teil des Herzens hauptsächlich betroffen ist, unterscheidet man eine Rechtsherzinsuffizienz, eine Linksherzinsuffizienz und eine Globalherzinsuffizienz (= rechtes und linkes Herz).

Die Herzinsuffizienz ist eines der häufigsten internistischen Krankheitsbilder und betrifft hauptsächlich ältere Menschen.

Kinder trifft eine Herzinsuffizienz meist dann, wenn durch angeborene Herzfehler die Funktionsfähigkeit des Herzens stark eingeschränkt ist.




URSACHE.

  • Störung des Herzzykluses, z.B. durch KHK, arterielle Hypertonie
  • Herzrhythmusstörungen



PATHOPHYSIOLOGIE. Der Herzzyklus (Systole und Diastole) kann durch unterschiedliche Ursachen gestört sein:

  • Störung der systolischen Ventrikelfunktion: Die Kammern haben eine Kontraktionsschwäche (z. B. bei KHK und Herzinfarkt, bei Entzündung am Herzmuskel) oder die Kammern haben eine zu hohe Wandspannung durch zu viel Volumen im Inneren der Herzkammer (z. B. bei undichten Herzklappen) oder sie müssen einen zu hohen Druck aufbauen (z. B. bei arteriellem Bluthochdruck)
  • Störung der diastolischen Ventrikelfunktion: Füllungsbehinderung z. B. durch einen großen Perikarderguss

Auch Herzrhythmusstörungen können zur Herzinsuffizienz führen. Bei einem unregelmäßigen Herzzyklus verlaufen auch Füllung und Entleerung des Herzens unregelmäßig. Es gelangt nicht die abgestimmte und notwendige Menge sauerstoffreichen Blutes in den Körper. Die vorangehend beschriebenen Ursachen führen v. a. über ein Pumpversagen des Herzmuskels (engl. Low-output Failure) zu einem verminderten Herzzeitvolumen (HZV) und somit zu einer Minderversorgung der Organe. In selteneren Fällen kann sich eine Herzinsuffizienz jedoch auch bei einem gesteigerten HZV (engl. High-output-Failure) entwickeln. Beispiel hierfür ist eine Anämie: Aufgrund des verminderten Sauerstoffgehalts im Blut muss das HZV stark gesteigert werden, um die Organe ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen.




EINTEILUNG.

  • Kompensierte Herzinsuffizienz: Der Organismus versucht mit verschiedenen Mechanismen, dem reduzierten Herzzeitvolumen entgegenzuwirken. Die Neurotransmitter des Sympathikus (Noradrenalin und Adrenalin) werden vermehrt ausgeschüttet und erhöhen die Kontraktionskraft des Herzmuskels und die Herzfrequenz. Außerdem bewirken sie über eine Verengung von Gefäßen in der Peripherie, dass der Blutdruck gesteigert wird und die zentralen Organe besser durchblutet werden können (Zentralisation). Somit kann die Herzinsuffizienz kurzfristig kompensiert werden. Eine kompensierte Form der Herzinsuffizienz liegt vor, wenn keine ausgeprägten Symptome bestehen.
  • Dekompensierte Herzinsuffizienz: Langfristig führt die ständige Überstimulation des Herzens und des Kreislaufes mit Noradrenalin jedoch dazu, dass die verbleibende Pumpfunktion noch schneller abnimmt und dass irgendwann die Reserven ausgeschöpft sind: Die Herzinsuffizienz dekompensiert und macht sich durch typische Symptome bemerkbar, z. B. Luftnot (Dyspnoe), verminderte Leistungsfähigkeit, Ödeme (Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe).

Zeitlicher Verlauf
Vom zeitlichen Verlauf her unterscheidet man bei einer Herzinsuffizienz außerdem die akute und die chronische Form: Die akute Form entwickelt sich innerhalb von Stunden oder Tagen (häufige Auslöser sind ein Herzinfarkt und/oder Herzrhythmusstörungen). Die häufigere chronische Form entwickelt sich über mehrere Monate bis Jahre. Ursache ist in den meisten Fällen eine KHK.




SYMPTOME. Die Symptome einer Herzinsuffizienz hängen davon ab, ob es sich um eine Rechts-, Links- oder Globalherzinsuffizienz handelt. Abhängig davon staut sich das Blut in unterschiedliche Körperabschnitte zurück.

  • Rechtsherzinsuffizienz. Ein Blutstau vor dem rechten Herzen führt dazu, dass sich das Blut auch in den Hohlvenen und im übrigen venösen System aufstaut. Typische Stauungszeichen sind:
    • Ödeme an den unteren Extremitäten in Form von Knöchelödemen, oder in der Gesäßgegend, im Rücken oder in den Flanken (bei Patienten, die viel liegen).
    • Gewichtszunahme: Aufgrund der Einlagerung von Flüssigkeit kommt es zur Gewichtszunahme. Daher ist die engmaschige Kontrolle des Körpergewichts bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz besonders wichtig.
    • Nykturie (nächtliches Wasserlassen): Im Liegen muss das rechte Herz das im Stehen entstehende Gefälle zu den Beinen nicht mehr überwinden. Außerdem muss es generell nicht so viel leisten wie tagsüber. Es fördert daher nachts die tagsüber eingelagerte Flüssigkeit stärker durch den Kreislauf. Die überschüssige Flüssigkeit wird über die Niere, die nachts auch besser durchblutet ist, ausgeschieden. Viele Patienten mit einer Herzinsuffizienz können nachts nicht mehr durchschlafen, sondern gehen mehrmals pro Nacht zur Toilette.
    • Halsvenenstauung: Verdickte Halsvenen sprechen für einen Rückstau des Blutes vor dem Herzen.
    • Stauungsleber: Wegen des Rückstaus des Blutes in die Lebervenen führt eine länger andauernde Rechtsherzinsuffizienz zunächst zu einer Vergrößerung der Leber (Hepatomegalie) und später zu einer Leberfunktionsstörung.
    • Stauungsgastritis: Diese kann sich in abdominellen Beschwerden und Appetitlosigkeit äußern.



  • Linksherzinsuffizienz.
    • Linksherzinsuffizienz mit Vorwärtsversagen: reduzierte Leistungsfähigkeit, Schwindel und Synkopen (plötzlich eintretende, kurzfristige Bewusstlosigkeit) auf. Bei älteren Menschen kommt es oft zu zerebralen Leistungsstörungen (wie Verwirrtheit).
    • Linksherzinsuffizienz mit Rückwärtsversagen: Dyspnoe, Lungenödem



NYHA. Der Schweregrad einer Herzinsuffizienz wird in die NYHA-Stadien eingeteilt (NYHA = New York Heart Association):

  • NYHA I: normale Belastbarkeit ohne Symptome (mithilfe anderer Untersuchungsmethoden wird jedoch eine eingeschränkte Pumpfunktion nachgewiesen)
  • NYHA II: Symptome treten unter körperlicher Anstrengung (z. B. beim Treppensteigen) auf, geringe Belastungen (z. B. Gehen) sind möglich.
  • NYHA III: Symptome treten bereits bei geringen Belastungen (z. B. beim Gehen) auf.
  • NYHA IV: Symptome auch in Ruhe



DIAGNOSTIK.

  • Anamnese: Zur Eingrenzung der zugrunde liegenden Vorerkrankung (z.B. arterielle Hypertonie, KHK). Außerdem wird mithilfe der Anamnese der klinische Schweregrad (NYHA-Stadium) festgelegt. Der Patient wird nach den typischen Symptomen einer Herzinsuffizienz gefragt (z. B. „Wie viele Treppenstufen können Sie aufwärts gehen, ohne stehen bleiben zu müssen?“).
  • Klinische Untersuchung von Herz, Lunge und Stauungszeichen (Halsvenenstauung, Ödeme)
  • Blutuntersuchung: Die vermehrte Füllung der Herzvorhöfe bei einer Herzinsuffizienz führt zur Freisetzung des Proteins BNP (brain natriuretic peptide) aus den Herzohren. BNP ist bei einer Herzinsuffizienz im Blut erhöht. Darüber hinaus werden u. a. Blutwerte bestimmt, die auf kardiovaskuläre Risikofaktoren hinweisen (z. B. Blutfette, Blutglukose).
  • Ruhe- und Langzeit-EKG zur Beurteilung des Herzrhythmus
  • Echokardiografie (wichtigste diagnostische Methode): Mit einem „Echo“ lassen sich Wandbewegungsstörungen erkennen, die Wanddicken und die Auswurfleistung der Herzkammern bestimmen sowie die Herzklappen beurteilen. Hierüber kann die Diagnose Herzinsuffizienz bereits gestellt werden, selbst wenn klinisch noch gar keine Symptome vorhanden sind (NYHA-Stadium I). Im Krankheitsverlauf kann anhand der Weite der in den rechten Vorhof einmündenden Hohlvenen (V. cava superior und inferior) beurteilt werden, wie ausgeprägt eine ggf. vorliegende Rechtsherzinsuffizienz ist.
  • Sonografie der Pleura ist eine sehr genaue Methode zum Nachweis eines Pleuraergusses.
  • Röntgenthorax-Aufnahme: Bei einer Linksherzinsuffizienz können ggf. kardiale Stauungszeichen sowie ein Lungenödem erkannt werden. Außerdem kann die Herzgröße abgeschätzt werden.
  • Linksherzkatheteruntersuchung zur Ursachenabklärung, da die häufigste Ursache für eine Herzinsuffizienz ist eine KHK.



THERAPIE. Bei der Herzinsuffizienz gibt es grundsätzlich 2 Therapieansätze: Zum einen die kausale Therapie, d. h. die Therapie der verursachenden Grunderkrankung (z. B. KHK oder Herzrhythmusstörungen). Oft ist eine kausale Therapie nicht (mehr) möglich, z. B. nach einem schweren Herzinfarkt oder bei einer fortgeschrittenen Kardiomyopathie. Dann versucht man, die Herzinsuffizienz medikamentös positiv zu beeinflussen und Komplikationen zu beherrschen. Oft werden diese beiden Therapieansätze miteinander kombiniert.

Allgemeinmaßnahmen

  • Bewegung: Regelmäßiges, an die Herzfunktion angepasstes körperliches Training hilft dabei, die verbleibende Herzleistung besser auszunutzen.
  • Ernährung: Eingeschränkte Salz- und Flüssigkeitsaufnahme, um das Herz nicht mit zu viel Volumen zu belasten. Die Patienten sollten Alkohol nur in geringen Mengen konsumieren.
  • Reduktion von kardiovaskulären Risikofaktoren: u. a. Verzicht auf Nikotin, die optimale Einstellung eines Hypertonus oder Diabetes mellitus, eine ausgewogene Ernährung und ggf. eine Gewichtsreduktion.

Medikamentöse Therapie. Die Therapie der Herzinsuffizienz ist eine Kombinationstherapie aus verschiedenen Medikamentengruppen, die je nach NYHA-Stadium eingesetzt werden. Ziel ist es, das Herz zu entlasten und es vor der hohen Aktivität des Sympathikus zu schützen. So soll ein rasches Fortschreiten der Erkrankung verhindert werden.
Folgende Medikamentengruppen werden eingesetzt: ACEHemmer und AT1-Rezeptor-Antagonisten (u. a. zur Senkung der Nachlast), Betablocker (u. a. zur Kontrolle der Herzfrequenz) und Diuretika (→ Ausschwemmung der eingelagerten Flüssigkeit).
In fortgeschrittenen Stadien werden positiv inotrope Medikamente eingesetzt – das sind Präparate, die sich positiv auf die Herzkraft auswirken (= positive Inotropie). Sie mindern zwar die Symptome, verhindern aber nicht das Fortschreiten der Erkrankung. Zum Einsatz kommen Digitalispräparate (= Herzglykoside) wie Digitoxin und Digoxin. Bei einer schweren akuten Herzinsuffizienz mit kardiogenem Schock werden kurzfristig weitere positiv inotrope Substanzen wie Noradrenalin und Dobutamin eingesetzt. Auch eine Behandlung mit sog. Phosphodiesterase-3-Hemmern (= PDE-3-Hemmern) wie Milrinon kann indiziert sein.

Operative Therapie

  • ICD-Implantation: Bei einigen Patienten mit stark ausgeprägter Herzinsuffizienz und/oder gefährlichen Herzrhythmusstörungen ist die Implantation eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (ICD) indiziert.
  • IRC-Implantation: Wenn es bei Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz zu einer Störung des Reizleitungssystems in Form eines sog. Linksschenkelblocks (LSB) kommt, besteht die Therapiemöglichkeit einer kardialen Resynchronisation (CRT). Dabei wird dem Patienten ein Gerät implantiert, das einem Herzschrittmacher ähnelt. Das Gerät stimuliert beide Kammern; man spricht von einer biventrikulären Stimulation. Dadurch schlagen die Kammern (trotz gestörter Reizleitung) wieder synchron.
  • Herztransplantation: Versagen alle anderen Maßnahmen, bleibt als letzte Möglichkeit zur Heilung nur noch die Herztransplantation. Die Indikationen hierfür sind jedoch streng, sodass nur ein geringer Teil aller Herzinsuffizienzpatienten eine Herztransplantation erhält. Außerdem ist die Bereitschaft, Organe zu spenden, in Deutschland sehr niedrig, sodass viel mehr Menschen ein Herz benötigen, als Herzen zur Verfügung stehen. Kunstherz: Wenn die Herzinsuffizienz lebensbedrohlich wird und kein Spenderherz zur Verfügung steht, besteht noch die Möglichkeit, ein Kunstherz einzubauen. Kunstherzen sind Unterstützungssysteme (ventricular assist device = VAD) für das Herz. Es gibt Linksherzunterstützungssysteme (LVAD) und Rechtsherzunterstützungssysteme (RVAD). In Extremfällen müssen beide Herzkammern unterstützt werden, dann spricht man von biventrikulären Unterstützungssystemen (BiVAD). Das operative Einbauen eines Kunstherzens ist nur in speziellen herzchirurgischen Zentren möglich. Es ist ein schwieriger Eingriff, genauso wie das Leben mit einem Kunstherzen schwierig und belastend ist. Es kann daher nur zur Überbrückung dienen, bis ein Organ zur Transplantation gefunden ist.