Ein kleiner Maschinenring im südlichen Thüringen unterstützt seine Mitglieder intensiv bei der teilflächenspezifischen Düngung ihrer Felder. Bei der Grund- und N-Düngung arbeiten die Landwirte im Ringgebiet mit detaillierten Streukarten – bereitgestellt vom MR Hildburghausen.

Die Vorreiter

Modernes Düngemanagement als Dienstleistung


„In Hildburghausen ist man einige Jahre voraus“ - so die Einschätzung von Antje Krieger, Sprecherin des Precision Farming-Experten Agricon, „wo andere Dienstleister noch über die Einführung intelligenter Werkzeuge nachdenken, nutzt der Maschinenring die technischen Innovationen seit Jahren konsequent. Sein Beitrag zur Präzisionslandwirtschaft ist somit wesentlich“. In enger Kooperation mit der Raiffeisen-Warengenossenschaft wurde in Hildburghausen ein Serviceangebot für die Landwirte der Region aufgebaut, das so intensiv genutzt wird, dass inzwischen für rund 30.000 Hektar GPS-gestützte Bodenuntersuchungen vorliegen.

Grunddüngung optimieren

Konkret heißt das: Um die Grunddüngung zu optimieren, werden die Flächen von Maschinenring-Geschäftsführer Manfred Müller und seiner Frau Annerose mit einem entsprechend ausgerüsteten Jeep Suzuki Samurai regelmäßig beprobt – beim Ackerland in einem 3-Hektar-Raster, für das jeweils 20-25 Einstiche pro Raster erfolgen, beim Grünland in einem 5-Hektar-Raster mit entsprechend reduzierter Probenanzahl. In der Geschäftsstelle erstellt Annerose Müller aus den Ergebnissen der Probenuntersuchungen detaillierte Nährstoffverteilkarten, auf Wunsch auch Streukarten.

Ergebnisse auf einen Blick

Der Landwirt erkennt anhand dieser Karten sofort, wo den Böden Phosphor fehlt, wie die Kalkversorgung ist und wie es bei Kalium und Magnesium aussieht. Auch bei der GPS-gestützten Dünger-Ausbringung unterstützen MR und Raiffeisen Warengenossenschaft, bis hin zur Komplett-Dienstleistung. Ganz ähnlich läuft es bei der N-Düngung: Auch der Stickstoff wird nur noch dort ausgebracht, wo er nötig ist. Via N-Tester und Yara N-Sensor wird der aktuelle N-Bedarf ermittelt und teilschlagbezogen ausgebracht. Über- und Unterversorgung können so gleichermaßen ausgeschlossen werden.

30.000 Hektar im Blick

Mit wenigen Mausklicks kann Annerose Müller, Diplomagraringenieurin und Aktivposten im MR Hildburghausen, den Versorgungszustand von mehr als 30.000 Hektar Nutzfläche abrufen. Anhand der Flurkarten lässt sich nicht nur der aktuelle Stand ablesen, sondern sie zeigen auch die Entwicklung der vergangenen Jahren auf: „Wir können präzise Rückschlüsse ziehen, wie sich die teilschlagspezifische Düngung auswirkt“ erklärt Manfred Müller, der die Ergebnisse sehr positiv beurteilt: „Wo die Versorgung vor acht Jahren noch im B-Bereich war, ist sie heute fast durchgehend im Bereich C und C+. Entsprechend haben sich auch die Erträge stabilisiert“. Rund 65 dz Weizen und teilweise mehr ernten die Landwirte heute auf ihren mit 20-35 Bodenpunkten nicht gerade bevorzugten Lagen. Vor zwanzig Jahren seien 45 bis 50 dz absolute Spitzenwerte gewesen. Dafür sind freilich viele Faktoren verantwortlich: Neben der verbesserten Düngung auch neue Sorten und optimierter Pflanzenschutz.

Lebensaufgabe Maschinenring

Was heute so erfolgreich funktioniert, ist das Ergebnis von nunmehr zwölf Jahren mühsamer Kleinarbeit – von gerade einmal drei Menschen, die sich während ihrer landwirtschaftlichen Ausbildung zum Agrotechniker in der DDR kennengelernt hatten und die nach der Wende alle drei nach einer neuen Lebensufgabe gesucht haben: Manfred und Annerose Müller sowie Eberhard Tanzberger. Alle drei hatten nach der Ausbildung noch ein landwirtschaftliches Studium absolviert und dann bis 1989 in unterschiedlichen LPGs („Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften“) gearbeitet. Nach dem Zusammenbruch der DDR wurden die vorhandenen Agrarstrukturen in Frage gestellt. Die Bedingungen änderten sich grundlegend.

Hoher Einsatz

Für die Agraringenieure ohne eigenen Betrieb wurde es deutlich schwieriger, Arbeit zu finden. Aber alle drei sind Kämpfernaturen und wollten dem Agrarsektor treu bleiben. Eberhard Tanzberger startete den Neubeginn als Geschäftsführer der Raiffeisen-Warengenossenschaft Hildburghausen. Und das Ehepaar Müller boxte sich zunächst durch einige Anstellungen und Jobs, bis 1997 ein neuer Geschäftsführer beim MR Hildburghausen gesucht wird. Zweiter Vorstand im Ring ist Eberhard Tanzberger. Er nimmt seinen alten Berufskollegen Manfred Müller mit Freude dort auf. Und dann wird geackert. Alle drei (Annerose kommt als Unterstützung bald dazu) haben ein Ziel vor Augen: Die Düngung in ihrer Region auf den bestmöglichen Stand der Dinge zu bringen – durch ein Dienstleistungsangebot, das für die Landwirte eine echte Unterstützung bringt. "Wir haben gesehen, dass hier viel Potenzial steckt und dass wir uns hier ein Alleinstellungsmerkmal aufbauen können. Keiner wusste genau, wie die Nährstoffversorgung an den unterschiedlichen Punkten der Äcker – in den Senken, auf den Hügeln - aussieht. Das war alles andere als optimal“ sagt Eberhard Tanzberger im Rückblick. Woran er sich ebenfalls noch gut erinnert: „Wir waren uns einig, dass wir die beste Lösung haben wollten“.

Herausforderung Datenmanagement

Als größte Herausforderung erwies sich das Datenmanagement. Die Laborergebnisse von rund 2.000 Bodenproben müssen jährlich so aufbereitet werden, dass am Ende übersichtliche Nährstoffverteilkarten den Ist-Zustand des Bodens dokumentieren. Am Anfang arbeitete Annerose Müller mit dem Planungsprogramm SS Tool. „Bis die erste Streukarte fertig war, bin ich einige Tage lang intensiv vor dem Computer gesessen“ erzählt Annerose, die über die Mühsal der Anfangszeiten heute schmunzeln kann, „und es blieb mit SS Tool trotz der zunehmenden Routine eine sehr zeitaufwändige Arbeit. Das Labor schickte Excel-Tabellen mit den Ergebnissen der Bodenproben, und ich musste vieles mit der Hand eingeben“. Zudem sei das Datenvolumen auf ihrem PC ins schier Unermessliche angewachsen – was trotz Sicherungskopien die Sorge beim gesamten Team anwachsen ließ, dass bei einem Computerschaden viele wertvolle Daten verloren gehen könnten.

Daten in der Cloud

2012 gingen sie deshalb den nächsten Schritt: sie stiegen in die Datensoftware-Lösungen Agri Port und Agri Doc (beides Produkte von Agri Con) und damit in die cloud-basierte Datenverwaltung ein. „Cloud-basiert“ bedeutet, dass die Speicherung und Verarbeitung der Daten nicht mehr auf der Speicherplatte des PC im eigenen Büro stattfindet, sondern in einem entfernten Rechenzentrum. Man spricht von einer „Wolke“ (englisch: cloud), um sich den Ort der Datenverarbeitung und -verwaltung bildlich vorstellen zu können. Für Annerose Müller begann damit eine neue Ära: Kein aufwändiges Düngekarten-Rechnen per Hand mehr, keine Daten mehr in Exceltabellen oder als Fax-Ausdrucke – und zudem keine Sorgen mehr um einen möglichen Datenverlust. Heute kann der vorhandene Datenpool, der teilweise schon drei bis vier Beprobungszyklen umfasst, in die Cloud des Programmes von Agri Port eingelesen werden. Die Nutzer können jetzt die Analyseergebnisse der Bodenproben direkt und zeitnah dort abrufen. Weil die eingesetzten Maschinen auf den Feldern mit Datenloggern ausgestattet sind, kann über das System Agri Doc jederzeit nachvollzogen werden, wie der Stand der Arbeiten ist. Gleichzeitig werden die ausgebrachten Mengen exakt dokumentiert.

"Die Daten sieht der Landwirt und sonst niemand"

Kann auch der Datenschutz im Cloud-System voll gewährleistet werden? Annerose Müller ist überzeugt, dass die Lösung mit Agri Port optimale Sicherheit bietet: „Die Daten sieht nur der Landwirt und sonst niemand, das muss das System garantieren und da nehmen wir den Hersteller auch in die Pflicht“. Weil jetzt weniger Zeit für die Erstellung und Verteilung der Streukarten nötig ist, bietet der MR Hildburghausen seinen Mitgliedern verstärkt die Unterstützung beim Dokumentations und Antragswesen an. Rund 40 INVECOS-Anträge bearbeitet Annerose Müller jetzt pro Jahr, „vor allem für die Betriebe mit weniger als 800 Hektar“. Das Gros der Flächen in Thüringen wird von Großbetrieben bewirtschaftet – die den Einstieg in die teilflächenspezifische Düngung eigentlich auch selbst schaffen könnten. Umso eindrucksvoller ist die Erfolgsgeschichte der drei Freunde Eberhard, Annerose und Manfred: Sie waren schnell, visionär und haben keine Mühen gescheut, um ihre Vorstellungen vom optimalem Düngemangement umzusetzen. Urlaub gibt es für das Ehepaar Müller, das vier erwachsene Kinder hat, nur in den Wintermonaten. Sie sehen es mit Humor: „Manchmal ruft mich meine Frau an, wenn sie zur Bodenbeprobung unterwegs ist“, erzählt Manfred Müller, „und dann sagt sie nur: Du kannst dir nicht vorstellen, wie schön es hier ist! Ich antworte ihr dann: Wenn es so schön ist, kannst Du auch einen Tag Urlaub schreiben.“